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Aktionsplan Birkhuhnschutz Lüneburger Heide

Projektbeschreibung


Die „Erarbeitung des Aktionsplans zum Schutz des Birkhuhns in der Lüneburger Heide“ ist ein über zwei Jahre laufendes Kooperationsprojekt (Januar 2024 - Dezember 2025) der Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz (NNA) und dem Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung (ITAW), gefördert durch Mittel der Jagdabgabe des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML). Mit dem „Aktionsplan Birkhuhn Lüneburger Heide“ wird ein niedersächsisches Konzept zum Schutz und langfristigen Erhalt der letzten autochthonen Population der Mitteleuropäischen Tiefebene erarbeitet.

In Niedersachsen, im Großraum Lüneburger Heide, befindet sich heute mit rund 140 Tieren der größte zusammenhängende Birkhuhnbestand des mitteleuropäischen Tieflandes. Das Birkhuhn war ursprünglich in den Mooren und Heiden des Nordwestdeutschen Tieflandes weitverbreitet und bis Mitte des 20 Jahrhunderts Charakterart dieser Landschaftstypen (STRAUß ET AL. 2018). Aktuell kommt es in Niedersachsen nur noch in reich strukturierten Sandheiden und angrenzenden kleineren Mooren vor. Heute ist das Birkhuhn in Deutschland und Niedersachsen in der Roten Liste der gefährdeten Vogelarten als vom Aussterben bedroht eingestuft und unterliegt dem niedersächsischen Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit. Die norddeutsche Flachlandpopulation repräsentiert ca. 20 Prozent des deutschen Gesamtbestandes und ist nach Meinung von Fachleuten vermutlich die einzige langfristig überlebensfähige Population in Mitteleuropa außerhalb der Alpen. Damit verdeutlicht sich die Verantwortung Niedersachsens für den Besatz- und Arealerhalt dieser Art in Mitteleuropa (STRAUß & SODEIKAT 2014).

Der Aktionsplan, bzw. das Projekt zu dessen Erarbeitung, wurde aus der Notwendigkeit heraus geboren, der tendenziell rückläufigen Bestandsentwicklung der letzten Jahre entgegenzuwirken und den steigenden Anforderungen an die mit dem Birkhuhnschutz betrauten Akteure gerecht zu werden. Trotz der intensiven Bemühungen zum Schutz der Population (u.a. Biotopmanagement, Prädationsmanagement) stiegen die Bestände in den Kerngebieten nicht wie erwartet an, teilweise sind sie sogar rückläufig.

Bereits 2007 wurde mit den „Grundlagen für ein Artenhilfsprogramm Birkhuhn in Niedersachsen“ (Wübbenhorst & Prüter 2007) der damalige Erkenntnisstand zu den ökologischen Anforderungen und den erforderlichen Schutzmaßnahmen für das Bundesland Niedersachsen zusammengetragen. Auf dem Birkhuhnsymposium an der Alfred Toepfer Akademie vom 12. bis 15. April 2023 wurden der weiterhin anhaltende bedenkliche Zustand der niedersächsischen Population, bekannte und vermutete Ursachen für diesen Zustand sowie mögliche Lösungsansätze erneut thematisiert. Die Teilnehmenden, insbesondere die lokalen Akteure, haben sich deutlich für ein Artenhilfsprogramm für das Birkhuhn in der Lüneburger Heide ausgesprochen, das einen Rahmen bieten soll, mit dem die vorgestellten Probleme beseitigt und mittel- bis langfristig eine gesunde, stabile Population erreicht werden soll. Darauf folgte die Auftaktveranstaltung zum Schutz der Birkhühner in der Lüneburger Heide am 29. Juni 2023 im ML in Hannover, zu dem die beiden niedersächsischen Ministerien für Landwirtschaft (ML) und für Umwelt (MU) gemeinsam die mit dem Birkhuhnschutz in Niedersachsen betrauten Akteure eingeladen haben. Die anwesenden Vertreter der verschiedenen Interessensgruppen haben sich darauf verständigt, einen „Aktionsplan Birkhuhnschutz Lüneburger Heide“ zu erarbeiten und dafür ihre Unterstützung signalisiert.

Ziele des daraus entstandenen Projektes sind:

  • Stabilisierung und langfristiger Erhalt einer überlebensfähigen Birkhuhnpopulation im Großraum Lüneburger Heide durch:
  1. die Erstellung eines Aktionsplans auf Grundlage fachlich und wissenschaftlich basierter Maßnahmen, die mit den betroffenen Interessensgruppen abgestimmt sind,
  2. die Förderung der Integration des Aktionsplans in Landschaftsplanung, Raumordnung und Natura-2000-Managementplanung,
  3. die begleitende Fortführung und wenn möglich Ausweitung und Ergänzung bereits laufender Maßnahmen zum Schutz der niedersächsischen Birkhuhnpopulation
  4. das Herausarbeiten von für den Erhalt des Birkhuhns im Großraum Lüneburger Heide relevanten
  5. Kenntnislücken und die Konzeption von Forschungsprojektskizzen, um diese zu schließen.

  • Förderung des Austauschs zwischen Wissenschaft und Praxis, Vermittlung zwischen den Anforderungen der Flächennutzer und den Empfehlungen aus wissenschaftlicher Sicht.
  • Förderung und Sicherstellung der Umsetzbarkeit und Akzeptanz der Maßnahmen durch Einbindung und regelmäßige Beteiligung der relevanten Akteursgruppen während der gesamten Projektlaufzeit (Gewährleistung einer iterativen, von Wissenschaft und Praxis getragene Maßnahmenentwicklung).
  • Sicherstellung der Wirksamkeit der empfohlenen Maßnahmen und Möglichkeiten der Nachjustierung durch Entwicklung eines integrierten Evaluierungskonzept, um die planmäßige Umsetzung der Maßnahmen und ihre erwartete Wirkung zu überwachen und dabei sowohl ökologische als auch soziale Dimensionen zu berücksichtigen.

Der gemeinschaftlich festgelegte Planungsraum umfasst die Flächen mit den aktuellen Birkhuhnvorkommen (= Kerngebiete der Subpopulationen), was die angrenzenden Waldbereiche miteinschließt, sowie den Raum zwischen den Kerngebieten, der für die Konnektivität der Subpopulationen und die Suche nach weiteren potentiell geeigneten Birkhuhnhabitaten relevant ist (= Suchraum).

Die Alfred Toepfer Akademie für Naturschutz ist im Rahmen dieses Projektes für die Prozesskoordination und planerische Integration verantwortlich und vermittelt zwischen den praktischen Anforderungen der Flächeneigentümer und den wissenschaftlichen Maßnahmenempfehlungen. Das ITAW erarbeitet auf wissenschaftlicher Grundlage Lösungsvorschläge im Sinne erforderlicher und realisierbarer Maßnahmen, inklusive möglicher Einschränkungen und bewertet deren Potentiale in verschiedenen Szenarien.

Die verschiedenen Stakeholder werden direkt zum Start in die Planungs- und Entscheidungsprozesse involviert. Ihre Beteiligung und Mitwirkung sind maßgeblich, da die Zuständigkeiten, Interessen und Ansprüche der Interessensgruppen divers sind. Über den Projektverlauf sollen im Rahmen von verschiedenen Beteiligungsveranstaltungen, wie Workshops oder auch Online-Beteiligung, gemeinsam Ziele, Visionen und konkrete Maßnahmen entwickelt werden. Aktuell gehören zu den beteiligten Interessensgruppen neben den lokalen Unteren Naturschutz- und Jagdbehörden der Verein Naturschutzpark (VNP), die Landes- wie die Bundes- und Klosterforsten, das Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML), das Nds. Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) und die Staatliche Vogelschutzwarte des NLWKN ebenso wie die Bundeswehr, Rheinmetall und die Landesjägerschaft. Ihre Partizipation und Kooperation sind für die erfolgreiche Umsetzung des Aktionsplans unabdingbar.

Auch die wissenschaftliche Bearbeitung offener Fragen wird die Erarbeitung und spätere Durchführung des Aktionsplans begleiten. Die daraus gewonnenen neuen Erkenntnisse über Faktoren, welche die Birkhuhnpopulation positiv oder negativ beeinflussen, sollen in die Maßnahmenplanung einfließen. Gegenwärtig bestehen offene Fragen, welche durch begleitende Forschung zu klären sind, in den Bereichen:

  • Genetik: Fragen zur genetischen Variabilität der Birkhuhn-Metapopulation und zukünftigen potentiellen Entwicklung der Birkhuhn-Subpopulationen in den fünf Kernlebensräumen sollen geklärt werden. Anhand einer umfassenden Analyse der Verwandtschaftsstruktur, Diversität, und Inzucht innerhalb der Birkhuhn-Populationen an den einzelnen Standorten, sowie über die Standorte hinweg, soll geklärt werden, ob die Population künstlich gestützt werden muss – etwa durch assistierte Migration heimischer Tiere, Translokation standortfremder Birkhühner oder Auswilderung nachgezüchteter Tiere – oder ob die Population auch ohne äußere „Genauffrischung“ langfristig tragfähig ist.
  • Insektenverfügbarkeit: In ihren ersten Lebenswochen sind die Küken auf eiweißreiche, tierische Nahrung angewiesen. Die Verfügbarkeit von Insekten gilt es daher hinsichtlich des (geeigneten) Artenspektrums und der vorhandenen Biomasse zu untersuchen, um etwa mittels Habitatgestaltung und Pflegemanagement die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen.
  • Mortalität, Bruterfolg, Kükenaufzucht, Habitatnutzung: Die Ausgestaltung verschiedener Maßnahmen hängt unter anderem vom Wissen über 1) die Verlustursachen bei Gelegen, Küken/Jungtieren und Altvögeln sowie 2) die Anforderungen an Gestaltung und Ausstattung der Lebensräume in den verschiedenen Lebensphasen ab. Hier gibt es deutliche Wissenslücken, die künftig (etwa via Telemetrie) zu schließen sind.
  Bildrechte: T. Grüntjens
Balzende Birkhähne auf Heidefläche der Lüneburger Heide

Literaturangaben:

STRAUß, E. & SODEIKAT, G. (2014): Birkwild in der Lüneburger Heide – Die Letzten ihrer Art. Niedersächsischer Jäger 18: 35-38.

STRAUSS, E.; TOST, D.; RATSCH, C.; KULOW, J.; STOLTER, C.; WORMANNS, S. & SIEBERT, U. (2018): Bestandsentwicklung und Nahrungsökologie des Birkhuhns Tetrao tetrix in Niedersachsen. Ornithol. Beob. 115 (3): 261-280.

WÜBBENHORST J. & PRÜTER J. (2007): Grundlagen für ein Artenhilfsprogramm Birkhuhn in Niedersachsen. 42. Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen. Hannover. 1-114 S.

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